Wupperpride e.V.


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Einmal im Leben durch Wuppertal schweben…

©a.simon

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Manche Wuppertaler können diesen Spruch nicht mehr hören. Und doch gibt es noch so viele Jungs und Mädels, Schwestern und Unentschlossene, Verzauberte und Prinzessinnen, die – wenn sie den legendären „Kaiserwagen“ sehen – ins Schwärmen geraten und ihren sonst so butchen Gang ablegen, um geradezu schwerelos die letzten Stufen des Schwebebahn-Bahnhofs „Vohwinkel“ hinauf zu eilen, dass selbst die große Pina Bausch ihre helle Freude an diesen grazilen Schritten gehabt hätte…

Auch in diesem Jahr wurde der historische „Kaiserwagen“ zum „Wupperpride 2015“ aus seinem Depot in Wuppertal-Vohwinkel geholt, und viele Boys and Girls folgten wieder dem Lockruf von „Gloria Knallenfalls“, mit ihr durchs Tal der Wupper zu schweben. Zum dritten Mal agierte sie als Schwebehostess, auch in diesem Jahr wieder mit einem neuen, starken Outfit, diesmal als schwarz-rote Queen.

©a.simon

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Noch schnell ein Ticket gelöst beim Vorsitzenden des „Wupperpride e.V.“ – Olaf -, heute gestylt als „Super-Olaf“, mit Bauchladen und Regenbogen-Umhang; und persönlich begrüßt von der Vorsitzenden des „Wupperpride e.V.“ – Anne.

Dann hieß es auch schon: „Einsteigen bitte – der Zug fährt pünktlich ab“.

Und tatsächlich: selbst die unpünktlichste Trödel-Trine und der verschnarchteste Penn-Bär waren rechtzeitig an Bord, und die zwei Schwebebahn-Zugführer konnten auf die Minute genau starten.

Ja – kein Schreibfehler: zwei Schwebebahn-Zugführer im Kaiserwagen!

Nix „vollautomatisierter, führerloser Schwebebahnverkehr als Option für die Zukunft“.

Zwei Zugführer in ihren schmucken, den historischen Vorbildern nachgeschneiderten, preußisch-hellblauen Uniformen, bedienten den Führerstand und „drehten heftig am Rad“. Entgegen der modernen „Einhandsteuerung“ ist die Bedienung des Kaiserwagen-Antriebs noch „gute alte Handarbeit“: unter metallenem Krachen und mit lautem Rackern wird hier noch die Fahrtgeschwindigkeit über ein solides Handrad eingestellt.

©g.wiederstein

©g.wiederstein

Und überhaupt: Der „Kaiserwagen“ schwingt und schwankt dank seiner stählernen Konstruktion viel weniger als die modernen Schwebebahnwagen aus Aluminium. Er ist leiser – und erheblich schneller – und hat keine vollautomatisch zu verriegelnden Türen…

Tja – die wurden seinerzeit dem armen, kleinen Baby-Elefanten „Tuffi“ vom Zirkus Althoff der Legende nach zum Verhängnis: als Reklame für ihr damaliges Gastspiel in Wuppertal wollte man das arme kleine Rüsseltier dazu bewegen, mit der Schwebebahn zu fahren.

Nur: „Tuffi“ wollte nicht; kurzerhand riss er mit Rüsselkraft die Verriegelung einer Einstiegstür heraus und sprang – ähnlich wie es Jahrzehnte später der große Hollywood-Produzent Walt Disney in seinem Zeichentrickfilm „Dumbo“ so wundervoll dargestellt hat – mit weit gespreizten Ohren – elfengleich – in die Wupper.  Platsch…!

Ob „Tuffis“ Landung so grazil geglückt war, wie die des späteren „Dumbos“ – darf angezweifelt werden; jedenfalls hatte „Tuffi“ – bis auf ein gestauchtes Hinterteil und ein paar Schrammen – fast wie durch ein Wunder seinen Befreiungssprung in die Wupper mit einem „blauen Auge“ überstanden.

„Tuffi“ konnte endlich in der Wupper baden, Walt Disney hatte seine Vorlage für einen fast schwerelos dahin segelnden Zirkuselefanten – und wir unseren „historischen Bogenschlag“ zu der grazil-schwebenden Schar Verzauberter, die zum „Wupperpride 2015“ aufmerksam den Informationen und illustren Geschichten lauschten, die „Gloria Knallenfalls“ den anwesenden Schwebenden zum Besten gab…

Und da ging es nicht nur um possierliche, kleine Elefanten, die zu doof waren, zu fliegen. Da gab es Fakten zu weniger putzigen Themen: in Wuppertal wurden im „Dritten Reich“ nicht nur Juden in großer Zahl in Konzentrationslager und und Behinderte in „Euthanasie“-Einrichtungen deportiert, -ondern auch Bürgerinnen und Bürger Wuppertals, deren sexuelle Orientierung nicht in die nationalsozialistische Ideologie passte.

Lesben und Schwule wurden verhaftet und abtransportiert. Das ehemalige Gebäude der seinerzeit so fortschrittlichen „Konsum-Genossenschaft“ wurde zur „Bergischen Gestapo-Zentrale“ mit gefürchteten Verhör- und Arrestkellern umfunktioniert, und in der Wuppertaler Bevölkerung machte immer öfter der abfällige Spruch gegenüber verhafteten, unliebsamen Zeitgenossen, Lesben und Schwulen die Runde: „Klappe zu – Affe weg“.

Ja, da blieb selbst der schrillsten ‚Tucke‘ im „Kaiserwagen“ der Kieks im Halse stecken – die gut recherchierten Informationen zum lesbischen und schwulen Leben in Wuppertal – von den frühen „Kaiser-Zeiten“, der bedrohlichen Zeit des „Dritten Reichs“, über die Zeit des „Wirtschaftswunders“, bis hin zum aktuellen, und um so bedauerlicheren Kneipen-Sterben „im Tal“ unserer Zeit, präsentierte „Gloria Knallenfalls“ gekonnt, interessant und kurzweilig.

Wie beispielsweise die Erläuterungen zur heutigen Stadt „Wuppertal“: ein „Kunstprodukt“ aus verschiedenen, – ursprünglich selbständigen Gemeinden entlang der Wupper; „kreiert“ zu „braunen Zeiten“.

Und wirklich „grün“ ist man sich heute noch nicht zwischen „Oberbarmen“, „Barmen“, „Elberfeld“, „Sonnborn“ und „Vohwinkel“.

Obwohl man eigentlich „blau“ sagen müsste, wo doch der früher so unerträgliche Gestank umweltvernichtender Farben der Textilfärbereien entlang der blaugefärbten Wupper nach dem Einwirken der karbol-fuchsin-violetten Farbpigmente, gereift über’s Wochenende zu einem intensiven „blau“, und nach dem Auswaschen der Fasern nach jedem Wochenende, den Begriff des „Blauen Montags“ – oder „blau machen“ in die gesamtdeutsche Umgangssprache gebracht hat.

Und da wären auch noch die weltbekannten Kopfschmerztabletten des weltberühmten Chemie-Konzerns an der Wupper, die wohl so manchen Mädels und Schwestern nach einer „etwas heftiger durchlebten Nacht“ das „Oh – es graut mir der neue Tag“ erträglicher gemacht haben.

Aber das wäre ja schon wieder eine neue Geschichte…

Lustig war bei der Kaiserwagenfahrt des „Wupperpride 2015“, dass ich zufällig auf dem mit goldenem Stoff und goldenen Polsternägeln gekennzeichneten Sitz, ganz vorne im historischen „Kaiserwagen“ der Wuppertaler Schwebebahn, zu sitzen kam: auf dem Platz, auf dem einstmals der Deutsche Kaiser saß, und mit dessen persönlicher Anwesenheit die Wuppertaler Schwebebahn würde- und huldvoll eingeweiht wurde.

Neben mir saß ein langjähriges Vereinsmitglied des „Wupperpride e.V.“.

Es saß auf dem Platz der Gemahlin des Kaisers, Auguste Victoria.

Als – seinerzeit – der „Kaiserwagen“ an einer Stelle etwas holperte und ruckelte, und des Kaisers Gemahlin wohl etwas laut wurde, soll sich der Kaiser – angeblich – zu der weniger hoffähigen Äußerung hinreißen lassen: „Aujuste – sei stille; dette is nu‘ mal die neue Technik! Da wirst’e Dir – wohl od’a-übel – dran’e jewöhn’n müss’n“.

Tja – nun hat unser Vereins-Kollege seinen „Spitznamen“ weg.

„Woll“…!!

© Detlef Lehmann – 2015