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Augspurg-Heymann-Preis 2012 an Journalistin Dr. Inge von Bönninghausen verliehen

Bereits zum vierten Mal wurde gestern der Augspurg-Heymann-Preis verliehen, in diesem Jahr an die Journalistin Dr. Inge von Bönninghausen.

Christiane Buck vom Vorstand der LAG Lesben in NRW e.V. begrüßte die Gäste aus Politik und Kultur und viele Vertreterinnen aus den Mitgliedsorganisationen der LAG Lesben in NRW e.V.

Marlies Bredehorst, Staatssekretärin im Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) NRW, Schirmfrau des Wupperpride 2011, machte in ihrem Grußwort deutlich, dass Lesben in den Medien nicht „der große Brüller“ sind. Wenn von Homosexuellen die Rede ist, würden vorrangig schwule Männer assoziiert. Es gelte das Bewusstsein für die Verschiedenheit von lesbischen Frauen und ihre unterschiedlichen Lebensweisen gerade in den Medien zu schärfen. Inge von Bönninghausen habe dazu viel und Entscheidendes beigetragen.

Fabienne Stordiau, Regionalkoordinatorin der Wirtschaftsweiber NRW, würdigte die Preisträgerin als großartige Journalistin, die viel bewegt hat. Sprache ist Ausdruck von Identität, so Stordiau, und es ist nicht beliebig, ob Frauen auch als Frauen sprachlich zum Ausdruck kommen oder nicht. Stordiau strich heraus, wie sehr Inge von Bönninghausen als Journalistin im Laufe der Jahrzehnte dazu beigetragen hat, dass Frauen selbstbewusst von sich als Frauen sprechen, zu ihrer Identität als Frauen stehen können. Sie betonte, wenn über Kommunikation gesprochen wird, dann gehe es auch um Wertschätzung, Wertschätzung, die von Anfang an auch sprachlich entgegen gebracht werde.

Vor der Laudatio und der eigentlichen Preisverleihung wurde ein Film-interview mit Tanja Walther-Ahrens gezeigt, das Dr. Ann Marie Krewer, die auch die Feierstunde moderierte, vorab geführt hatte. Die Preisträgerin des Jahres 2011 konnte selbst nicht kommen, um den Wanderpreis persönlich weiterzureichen. Sie schilderte ihre Erfahrungen. Sie habe die Skulptur so aufgestellt, dass sie sie anschauen konnte, wenn wieder homophobe Mails und Anrufe gekommen waren. Die Skulptur habe sie in ihrem Engagement unterstützt und ihr Kraft verliehen. Direkt an Inge von Bönninghausen gerichtet wünschte sie dieser ähnliche Erfahrungen mit der Skluptur als Kraftspenderin.

Ines Pohl, Chefredakteurin bei der TAZ, hielt die Laudatio. Sie mache das gerne, so Pohl, und das habe verschiedene Gründe, die alle wichtig, aber nicht immer schön seien.

Sie wies darauf hin, dass am 13. Mai 2012 verschiedene Termine und Ereignisse von Bedeutung (gewesen) sind. So beleuchtete sie den Muttertag als problematischen Tag, der von den Nationalsozialisten für deren Mütterideologie vereinnahmt wurde, aber auch als Tag, an dem sie ihrer eigenen Mutter, selbst in „ihren wilden Lesbenzeiten“, gerne mit Blumen und Brief („damals gabs noch Briefe“) dafür gedankt habe, dass diese ihr ihr Leben ermöglicht hat.

Außerdem sei bei der Planung des Termins der Preisverleihung nicht klar gewesen, dass NRW (schon wieder) wählen würde. Mit Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann hätten, so Pohl, trotz gemachter Fehler und enttäuschter Hoffnungen, zwei starke Frauen den Wahlkampf angeführt. Sie hätten Deutschland in den vergangenen zwei Jahren gezeigt, dass ein Frauenpärchen auf der politischen Bühne nicht nur angenehmer anzusehen, sondern auch ein zielorientierterer und letztlich mutigerer Politikstil möglich sei.

In den Blick kam auch die Verleihung des diesjährigen Henri-Nannen-Preises („deutscher Pulitzer“) am Freitag im Hamburger Schauspielhaus, bei der es gleich zu mehreren Kulturbrüchen gekommen sei. Zum ersten Mal wurde mit diesem „bis zu diesem Wochenende einigermaßen renommierten Preis“ die BILD-Zeitung für ihren investigativen Journalismus ausgezeichnet. Ausgerechnet der Journalist, der Charlotte Roche 2001 versuchte zu erpressen, um ein Interview von ihr zu bekommen, nachdem ihre drei Brüder bei einem Autounfall tödlich verunglückten, ist unter den Ausgezeichneten. Der „Schweine“-Journalismus der Bildzeitung treffe Menschen, die leiden, aber auch diejenigen, die aufbegehren, die sich mutig und engagiert einsetzen. Mit dem Augspurg-Heymann-Preis werde in Dr. Inge von Bönninghausen eine Journalistin geehrt, die sich mutig und engagiert einsetze.

Zudem ist der Henry-Nannen-Preis, der die Preisträger fördert und zu Vorbildern macht, in diesem Jahr ausschließlich an Männer vergeben worden, und dass im Jahr 2012, in dem die Chefetagen der Medien immer noch „zu 98 Prozent von Männern bevölkert werden“. Es scheint, so Ines Pohl, kein Zufall zu sein, dass in dem Jahr, in dem Journalistinnen sich zusammengeschlossen haben, um aufzubegehren und in verantwortliche Positionen aufzusteigen, keine Arbeit einer Frau ausgezeichnet wurde. So sei es ihr eine ganz besondere Freude, ausgerechnet an diesem Wochenende die Laudatio auf Inge von Bönninghausen zu halten.

Die Preisträgerin Dr. Inge von Bönninghausen freute sich sichtlich über die Preisverleihung, die Inge Landmann von der LAG Lesben in NRW vornahm.

In ihrer Dankesrede unterstrich Inge von Bönninghausen unter anderem die enorme geschichtliche Bedeutung von Dr. Anita Augspurg und Lyda Gustava Heymann für die Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland. Historisch richtig sei, dass das Frauenwahlrecht nach dem I. Weltkrieg durch die SPD eingeführt worden sei, aber der Kampf um das Frauenwahlrecht sei an ganz anderen Stellen gekämpft worden, nicht zuletzt durch Augspurg und Heymann.

Es sei während der Feierstunde viel von Mut die Rede gewesen. Und auch dazu hätte Augspurg etwas zu sagen gehabt, kurz, prägnant, ein bisschen streng: „Mut haben ist Willenssache.“ Dieser Satz gefalle ihr so unglaublich gut, so von Bönninghausen, weil Mut manchmal wie so eine Art angeborener Glückfall angesehen werde. Aber „Mut haben ist Willenssache.“ bedeutet auch, dass es eine Entscheidung ist, mutig zu sein!

Auch das eine oder andere „Schmankerl“ aus dem Leben von Augspurg und Heymann wusste sie zu berichten. Nachdem beiden, siebzigjährig, das Wandern und Fahrradfahren zu beschwerlich wurde, machte Anita Augspurg den Führerschien und schaffte ein Cabrio an. Sie bauten ein Haus, bewirtschafteten einen Hof, kamen 1933 von einer Reise in die Schweiz nicht nach Deutschland zurück und starben im Exil.

Augspurg und Heymann wurden als Vertreterinnen der ersten deutschen Frauenbewegung in den 1970er- und 1980er-Jahren wiederentdeckt. Von den Frauen der zweiten (bundes)deutschen Frauenbewegung wurde ohne Ende über den Charakter der Beziehung der beiden gegrübelt, „ob sie nun haben oder nicht“. Es gibt den einen oder anderen Hinweis, bis hin zu Informationen über eine eifersüchtige Minna Kauer. Aber letztlich fände sie das auch nicht wichtig, das genau zu wissen, so von Bönninghausen. Das wirklich Entscheidende sei „die wahnsinnige Kraft der Liebe“ gewesen, die die beiden durch ihr bewegtes und anstrengendes Leben getragen habe.

Der fast schon religiös zu nennende Glaube der beiden an die weibliche (Erlösungs-)Kraft wird von von Bönninghausen nicht geteilt; aber sie würdigte diese Gedanken als Kraftquelle der beiden auf dem Hintergrund des I. Weltkrieg-Infernos als „Offenbarung und Untergang des Männerstaates“.

Augspurg und Heymann haben immer international gedacht. Und so nutzte Dr. Inge von Bönninghausen im zweiten Teil ihrer Dankesrede ausdrücklich die Gelegenheit, an Lesben (und Schwule) zu erinnern, die immer noch nicht in Frieden leben können. In 79 Ländern werden Lesben und Schwule strafrechtlich verfolgt. In sieben Ländern droht ihnen, wenn sie entdeckt werden, die Todesstrafe. Und selbst wenn staatlicherseits Menschenrechte anerkannt sind wie in Südafrika, dort sind die Rechte von Lesben und Schwulen sogar in der Verfassung verankert, ist noch nicht garantiert, dass die Menschenrechte für Homosexuelle auch verwirklicht werden. Lesbische Frauen werden in Südafrika von jungen Männern reihenweise vergewaltigt („corrective rape“), um sie „zur Vernunft zu bringen“. Inzwischen ist sogar die südafrikanische Regierung davon überzeugt, dass sie angesichts dieser massiven Menschenrechtsverletzungen tätig werden muss.

Abschließend kommentierte Inge von Bönninghausen das „unsägliche“ Adjektiv „schwullesbisch“. Es gäbe einfach Unterschiede, und die müssten auch benannt und kenntlich gemacht werden. Männer und Frauen würden zu sehr auf Sex reduziert. So viel Zeit müsse sein, lesbisch und schwul zu sagen.

Die Nachwuchs-Wortakrobatin Lara Müller und die Melodykes bestritten das anregende Kulturprogramm.

Lara Müller plädierte mit ihrer „Schoko-Logik“ für Vielfalt und Toleranz, und sie würdigte ihre Mutter, ihre Oma und ihre Freundin mit einem Gedicht zum Muttertag.

Die Melodykes, der Düsseldorfer Lesbenchor, machten mit ihren Liedern einfach gute Musik. Zum Abschlusslied „I like strong women“ trugen auch die Gäste stimmlich bei. Unter Anleitung der Chorleiterin Nicole Kagerer und mit Unterstützung der Melodykes klappte das Ganze sogar als dreistimmiger Kanon.

Abgerundet wurde die wunderbar stimmige Veranstaltung durch ein Buffet – und ein letztes Glas im Stehn.